Das Treffen der Arraiolos-Gruppe und die abgesagte Teilnahme des Bundespräsidenten

Am heutigen 6. Oktober 2023 findet in Porto das Treffen der Arraiolos-Gruppe statt, an dem nach dem ursprünglichen Plan auch Bundespräsident Steinmeier im unmittelbaren Anschluss an seinen Staatsbesuch in der Republik Cabo Verde (Kapverdische Inseln) teilnehmen wollte. Auf Grund einer sehr kurzfristig übermittelten Einladung des amerikanischen Präsidenten ins Weiße Haus ließ der Bundespräsident seine Teilnahme absagen und flog stattdessen in der Nacht vom 05. auf den 06. Oktober nach Washington.

Die Arraiolos-Gruppe

Gemäß Wikipedia ist die Arraiolos-Gruppe „ein seit 2003 bestehender informeller Zusammenschluss von derzeit sechzehn nicht-exekutiven Staatsoberhäuptern innerhalb der Europäischen Union. Nicht-exekutiv sind in der Regel die Staatspräsidenten in parlamentarischen Regierungssystemen, sie erfüllen meist nur repräsentative Funktionen. Die Gruppe wurde 2003 auf Initiative von Jorge Sampaio gegründet und hält einmal jährlich ein Treffen ab. Sie wurde nach der portugiesischen Stadt Arraiolos, wo das erste Treffen stattfand, benannt. Die Treffen dauern mehrere Tage und enden mit gemeinsamen politischen Erklärungen der Teilnehmer zu internationalen Themen. Derzeit sind die Staatsoberhäupter Bulgariens, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Griechenlands, Irlands, Italiens, Kroatiens, Lettlands, Maltas, Österreichs, Polens, Portugals, Sloweniens, der Slowakei und Ungarns Mitglieder der Gruppe.“

Einordnung der Absage des Bundespräsidenten

Wie man aus der Liste der Teilnehmer entnehmen kann, handelt es sich um einen durchaus „illustren“ Kreis von Staatsoberhäuptern der Europäischen Union, die sicherlich über eine derartig kurzfristige Absage des deutschen Staatsoberhauptes erstaunt, vielleicht sogar irritiert sind. Für den Gastgeber gilt das im besonderen Masse. Gerade in der heutigen krisenhaften Zeit sind solche Treffen ungemein wichtig. Obwohl diese Präsidenten keine exekutive Verantwortung haben hat ihr Wort, nicht nur in der internationalen Gemeinschaft, sondern auch in der eigenen Bevölkerung ein erhebliches Gewicht. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es ganz besondere Gründe gegeben haben muss, die den US Präsidenten veranlasst haben, seinen deutschen Amtskollegen „on a very short notice base“ ins Weiße Haus zu bitten.

Die offizielle Begründung Washingtons für die kurzfristige Einladung lieferte die Pressesprecherin des Weißen Haus, Karine Jean-Pierre:
„President Joe Biden looks forward to welcoming President Frank-Walter Steinmeier to the White House on Friday, October 6, 2023 to commemorate German-American Day. As the presidents mark this occasion, they will reaffirm the strong ties between the United States and Germany, including our close coordination as NATO Allies on a range of important issues, including defending democratic values and our shared commitment to support Ukraine as it defends itself from Russia’s invasion.“

Aus dem Bundespräsidialamt hieß es, Steinmeier reise auf Einladung Bidens nach Washington.

Zusammenfassende Bewertung

In diesem Beitrag wird ganz bewusst von Spekulationen, von denen es sicherlich viele gibt, Abstand genommen. Es soll lediglich festgestellt werden, dass der „German-American Day“ nicht der Anlass für diese Reise gewesen ist und vor allem nicht als Begründung gedient haben kann, die Staatsoberhäupter Bulgariens, Estlands, Finnlands, Griechenlands, Irlands, Italiens, Kroatiens, Lettlands, Maltas, Österreichs, Polens, Portugals, Sloweniens, der Slowakei und Ungarns durch eine derartig kurzfristige Absage letztlich vor den Kopf zu stoßen. Schließlich findet dieser „German-American Day“ in jedem Jahr statt, so dass die Planung, daran teilzunehmen ausgesprochen langfristig möglich wäre.

Am 03. März 2023 ist Bundeskanzler Scholz für einen Besuch von nur 60 Minuten Dauer nach Washington geflogen. Das Gespräch mit Präsident Biden war exakt auch nur für eine Stunde terminiert. Im Anschluss daran hat der Bundeskanzler bei CNN ein Interview gegeben. Auf eine Pressemitteilung hat man nach seiner Rückkehr vergeblich gewartet, und es gab auch keine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag. Deshalb weiß die deutsche Bevölkerung bis heute nicht, was in Washington besprochen wurde und warum der Kanzler für ein einstündiges Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten in die USA geflogen ist.

Bleibt zu hoffen, dass dies spätestens nach diesem extrem kurzfristig anberaumten Besuch von Bundespräsident Steinmeier anders sein wird.

Transparenz ist nicht nur ein wichtiges Prinzip der Politik, sondern vor allem eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Bevölkerung in ihre politischen Führer.

Greven, den 06. Oktober 2023 Jürgen Hübschen

Über Jürgen Hübschen

Jahrgang 1945, Oberst a.D. der Luftwaffe
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar