Die russischen Luftangriffe gegen die ukrainische Energieversorgung vom 11. April 2024

Stellungnahme des ukrainischen Präsidenten Selensky nach den russischen Luftangriffen:

„ In der Nacht hat Russland mehr als 40 Raketen und ungefähr 40 Drohnen auf die Ukraine abgeschossen. Ich bedanke mich bei allen, die an den Bergungs- und Aufräumarbeiten nach den Angriffen  beteiligt waren und ebenso bei allen Soldaten unserer Luftverteidigung, die in der letzten Nacht im Dienst gewesen sind. Einige Raketen und „Shahed“ Drohnen wurden erfolgreich abgeschossen, unglücklicherweise aber nur ein Teil davon. Russische Terroristen haben erneut die kritische Infrastruktur angegriffen. Es gab weitere ruchlose Raketenangriffe auf Charkiv und die Region Charkiv. Es wurden außerdem Einrichtungen in Kiew, Saporischna, Liew und in der Region Odessa angegriffen.“

Dieses Statement des ukrainischen Präsidenten ist ein Eingeständnis, dass die Ukraine der Militärmacht Russland nicht gewachsen ist.

Die russischen Luftangriffe

Nach vorliegenden Meldungen wurden die russischen Angriffe mit Marschflugkörpern,eingesetzt von strategischen Langstreckenbombern vom Typ TU-95 MS oder TU-95 MS/MSM und Drohnen vom Typ „Geran-2“ durchgeführt. Die TU-Langstreckenbomber mit dem NATO Code „Bear“ sind von ihrer Leistungsfähigkeit mit der amerikanischen „B-52“ zu vergleichen. Auch die T-95 kann mit Marschflugkörpern bewaffnet werden, wobei die Anzahl der Flugkörper von der Ausführung der Tupolew abhängt. Der Bomber hat eine Reichweite von ca. 15.000 km und fliegt in einer Höhe bis zu 14.000 m. Die Drohne „Geran-22 ist die russische Version der iranischen „ Shahed“ Drohne. Sie wird mittlerweile in Russland produziert und verfügt über einen Sprengkopf von 40-60 kg. Unklar ist, ob es sich bei den eingesetzten „Geran-2“ um eine Version der „Shahed 136“ oder ihres Nachfolgers der  „Shahed 238“ gehandelt hat oder ob beide Versionen eingesetzt wurden. Sie unterscheiden sich in der Geschwindigkeit von ca. 200km/h bzw. 500 km/h bei etwa gleicher Reichweite von bis zu 2.000 km. Ein wesentlicher Unterschied liegt auch in den Fähigkeiten der Typen. Das russische Model der „Shahed 136“ wird vor dem Start auf ein festes Ziel vorprogrammiert und kann nach dem Abschuss nicht mehr beeinflusst werden. Die neue Version „ Shahed 238“ kann z. B. auch gegen mobile Ziele eingesetzt werden und ist u.a. in der Lage, selbständig Radargeräte der gegnerischen Luftverteidigung zu identifizieren und anzugreifen.

Es ist davon auszugehen, dass Russland bei den Luftangriffen in einer ersten Welle „Geran-2“ Drohnen praktisch in einem Schwarm eingesetzt hat. Auf diese Weise versucht man die gegnerische Luftverteidigung so zu saturieren, dass die in einer nachfolgenden Welle zum Einsatz kommenden Marschflugkörper nur noch zum Teil oder gar nicht mehr abgewehrt werden können. Dieses Einsatzverfahren dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass so viele Einrichtungen der ukrainischen Stromversorgung beschädigt oder vollkommen zerstört werden konnten. Nach amerikanischen Meldungen wurden durch die Angriffe fast alle nicht atomaren Einrichtungen der ukrainischen Energieversorgung vorübergehend oder auch langfristig ausgeschaltet.

Zusammenfassende Bewertung

Langstreckenbomber wie die TU-95MS oder MSM operieren auf Grund ihrer Reichweite weit außerhalb der ukrainischen Luftverteidigung und setzten von dort aus ihre Marschflugkörper ein. Auch die „Geran-2“ Drohnen können im wesentlichen erst abgewehrt werden, wenn  sie bereits in den ukrainischen Luftraum eingedrungen sind. In diesem verfügt aber Russland über die absolute Luftherrschaft, und das ist ein weiterer Grund, warum die Ukraine diesen Krieg militärisch nicht gewinnen kann und wird.

Im Grunde hat die Ukraine den Kampf bereits verloren, und das wissen die „westlichen“ Politiker auch. Zusätzliche Waffenlieferungen werden daran nichts ändern, sondern die Kampfhandlungen höchstens verlängern. Das jetzt von der Bundesregierung zugesagte weitere „Patriot-System“ aus dem Bestand der Bundeswehr, schwächt die Luftverteidigungsfähigkeit Deutschlands, ohne die Fähigkeit der Ukraine, vergleichbare russische Luftangriffe in Zukunft abzuwehren, wesentlich zu verbessern. Um das zu begreifen, muss man sich auf der Landkarte eigentlich nur die Größe des ukrainischen Staatsgebietes anschauen und sich noch einmal vergegenwärtigen, dass die Energieversorgung im gesamten Land von den russischen Luftangriffen betroffen war.  Durch zusätzliche Waffenlieferung wird sich auch die Verhandlungsposition der Ukraine

nicht verbessern, wie es von vielen z.T. selbst ernannten Experten behauptet wird.

Es ist aus meiner Sicht unlauter, dass US Außenminister Blinken – wie ich meine, wider besseres Wissen- auf der Veranstaltung zum 75-jährigen Bestehen der NATO in Brüssel gesagt hat, die Ukraine würde ein Mitglied des Bündnisses werden. Das wird nämlich nicht nur von Deutschland, Frankreich und Ungarn völlig anders gesehen. Falls die USA diese Position beibehalten, die Moskau kategorisch ablehnt, wird dieser Krieg weitergehen, und es besteht die konkrete Gefahr- so bitter es klingt-, dass es die jetzige Ukraine am Ende dieser militärischen Auseinandersetzung nicht mehr geben wird.

Greven, 14. April 2024

Jürgen Hübschen

Über Jürgen Hübschen

Jahrgang 1945, Oberst a.D. der Luftwaffe
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