Die Reorganisation der Bundeswehr- Zeitenwende oder Rückbesinnung?

Nach der bereits am 01. Februar 2024 neu eingenommenen Struktur des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVG) sowie der am 4. April 2024 im Rahmen der Neustrukturierung der Bundeswehr erfolgten Änderungen, wie z.B. der erneuten Einrichtung eines Planungsstabes – mittlerweile „Planungs-und Führungsstab“- oder der Wiedereinführung einer Flugabwehrtruppe in das Heer, hat Verteidigungsminister Pistorius mit Wirkung vom 01. Mai 2024 im „Osnabrücker-Erlass“ die „Grundsätze für die Spitzengliederung und Führungsorganisation im Bundesministerium der Verteidigung und der Bundeswehr“ verfügt.

Diese lauten:

  • Ebengerechte Aufgabenwahrnehmung
  • Die eindeutige Festlegung der Rollen und Aufgaben der Akteure in der nationalen Operationsführung und die klare und verständliche Verortung von Verantwortung
  • Die Planung und operative Führung aus einer Hand bei Gewährleistung der Kontinuität truppendienstlicher Führungsaufgaben,
  • Die Etablierung von Entscheidungs-und Abstimmungsprozessen, die sich maßgeblich an den Faktoren Schnelligkeit, Informationsüberlegenheit und Belastbarkeit orientieren, sowie
  • Die Reduzierung von Schnittstellen

Im nachstehenden Artikel geht es um die Beantwortung der Frage, ob die bereits erfolgten Änderungen und die noch vorgesehenen weiteren organisatorischen Maßnahmen wirklich eine Zeitenwende oder eher eine Rückbesinnung auf bewährte Strukturen und Einrichtungen sind.

Die bisherigen Erlasse zur Spitzengliederung der Bundeswehr

Nach dem „Blankeneser Erlass“ vom 21. März 1970, dem „Berliner Erlass“ vom 21. Januar 2005 und dem „Dresdner Erlass“ vom 21. März 2012 ist der „Osnabrücker Erlass“ vom 30. April 2024 der vierte Erlass zur Regelung des Verhältnisses zwischen der militärischen und der zivilen Führung der Bundeswehr.

Die nachfolgende kurze Zusammenfassung ist einer Veröffentlichung des Bundesministeriums der Verteidigung entnommen:

Blankeneser Erlass (21. März 1970)

Hintergrund: Die Spitzengliederung im Verteidigungsministerium erwies sich in der Praxis als nicht klar genug definiert. Dies betraf insbesondere die Verantwortung des Generalinspekteurs. Bei der Gründung der Bundeswehr wurde er als Berater des Ministers und der Bundesregierung bestimmt, aber aus der truppendienstlichen Befehlskette herausgehalten. Als ministerieller Abteilungsleiter stand er neben den Inspekteuren der Teilstreitkräfte, die für ihre Bereiche selbst verantwortlich waren. Darüber hinaus wurde der Bedarf erkannt, die Stabsstruktur der Bundeswehr an die der North Atlantic Treaty Organization-Partner (NATO) anzupassen.
Wichtigste Inhalte: Die Befugnisse des Generalinspekteurs wurden erweitert. Fortan war er dem Minister gegenüber verantwortlich für die Gesamtkonzeption der Bundeswehr und als Hauptabteilungsleiter gegenüber den Inspekteuren der Teilstreitkräfte weisungsberechtigt. Die Inspekteure verfügten jeweils über einen eigenen Führungsstab.  Innerhalb des Ministeriums diente dieser als Abteilung, während er in der Bundeswehr die höchste militärische Kommandostelle der Teilstreitkraft bildete. Die Führungsstäbe konnten auf diese Weise ministerielle Entscheidungen zielgerichtet in die Truppe transportieren.

Berliner Erlass (21. Januar 2005)

Hintergrund: Im Rahmen der Umwandlung der Bundeswehr zu einer „Armee im Einsatz“ ist dem Generalinspekteur, als Verantwortlichem für streitkräftegemeinsame Aufgaben, 2002 das Einsatzführungskommando unterstellt worden. Die Verantwortung für die Vorbereitung und Durchführung von Auslandseinsätzen wurden bis 2005 erweitert, aber in der Spitzengliederung nicht umfassend geregelt.
Wichtigste Inhalte: Der Generalinspekteur erhielt das Recht, nicht nur konzeptionelle Entscheidungen zu treffen, sondern auch konkrete Weisungen zur Führung der Truppe im Einsatz, zur Streitkräfteplanung und zur Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erlassen. Dies schloss die Bereiche der Fähigkeitsanalyse, Bedarfsermittlung und Beschaffung mit ein.

Dresdner Erlass (21. März 2012)

Hintergrund: Die Neuausrichtung der Bundeswehr, in deren Folge die Zahl der Soldaten reduziert und die Führungsstrukturen angepasst wurden, hat die Notwendigkeit einer weiteren Stärkung der streitkräftegemeinsamen Leitung gezeigt.
 Wichtigste Inhalte: Als ranghöchster Soldat der Bundeswehr wurde der Generalinspekteur nun truppendienstlich Vorgesetzter aller Soldaten. Daneben erhielt er die Verantwortung über die ministeriellen Abteilungen „Planung“, „Führung Streitkräfte“ und „Strategie und Einsatz“. Fortan steuert er die Einsätze der Bundeswehr als wichtigste streitkräftegemeinsame Aufgabe. Dafür wurde die operative und taktische Ebene in das Einsatzführungskommando – außerhalb des Ministeriums – verlagert. Die Inspekteure der Teilstreitkräfte sind aus dem Ministerium herausgelöst und in ihrer Eigenständigkeit gestärkt worden.

Osnabrücker Erlass (30. April 2024)

Hintergrund: Der bisherige Erlass aus dem Jahr 2012 spiegelte die Rolle der Bundeswehr alsArmee im Einsatz“ wider. Er wurde den sicherheitspolitischen Realitäten seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine und den daraus resultierenden Strukturentscheidungen nicht mehr gerecht. Der neue Erlass richtet die Spitzengliederung daher auf die auf zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung fokussierte Bundeswehr der Zeitenwende aus.

Wichtigste Inhalte: Der Erlass schreibt die konsequente Fokussierung auf den Kernauftrag der Streitkräfte zur Landes- und Bündnisverteidigung und die Grundsätze, die in der am 4. April 2024 bekannt gegebenen Neustrukturierung der Bundeswehr zum Ausdruck gekommen sind, für den gesamten Geschäftsbereich verbindlich fest. Ferner regelt er die Verantwortlichkeiten im Verteidigungsministerium und in der Führung des neustrukturierten nachgeordneten Bereichs, einschließlich der Zusammenarbeitsbeziehungen der Akteure untereinander. Erstmals bezieht er sich auch auf den Verteidigungsfall, fokussiert die zivilen Organisationsbereiche auf ihre Rolle in der Unterstützung des Verteidigungsauftrags der Streitkräfte und treibt die Koordinierung zwischen zivilen Organisationsbereichen und Streitkräften voran.

(Randbemerkung des Verfassers: Der Erlass könnte mindestens zwei Seiten kürzer sein, wenn man nicht für jeden beschriebenen Dienstposten die männliche und weibliche Form genutzt hätte, sondern das generische Maskulinum. )

Wesentliche Strukturen und Einrichtungen der Bundeswehr, die in der Vergangenheit abgeschafft wurden.

Um zu erkennen, welche bereits verfügten oder jetzt ins Auge gefassten wesentlichen Maßnahmen letztlich eine Rückbesinnung auf einmal vorhandene Strukturen/Organisationselemente sind, ist ein Rückblick unerlässlich. Dabei wird bewusst auf genaue Zeitangaben und zu viele Details verzichtet, und es werden auch nur einige Beispiele genannt.

 Über Jahrzehnte hat es in der Bundeswehr quasi zwei Arten von Landstreitkräften gegeben, nämlich das Feldheer und das Territorialheer. Die Verbände des Feldheers waren grundsätzlich der NATO unterstellt und waren damit nicht nur für die Landes- sondern auch für die Bündnisverteidigung zuständig. Das Territorialheer hatte ausdrücklich nationale Aufgaben, war also hauptsächlich für die Landesverteidigung und den Heimatschutz zuständig. Neben den s.g. „nationalen territorialen Aufgaben“ (NTA) gehörten dazu schwerpunktmäßig die Unterstützung der alliierten Streitkräfte auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik und die Zivil-Militärische Zusammenarbeit. Um letztere zu gewährleisten hatte das Territorialheer eine regionale Struktur, die sich an der föderalen Gliederung der Bundesrepublik orientierte. So gab es Verteidigungskreiskommandos auf Kreisebene, Verteidigungsbezirkskommando auf der Ebene der Bezirksregierungen, nachgeordnet jeweils Heimatschutzbataillone als s.g. Geräteeinheiten mit einem Nukleus aus aktiven Soldaten. Auf der Ebene der Landesregierungen gab es Wehrbereichskommandos und darüber eine regionale Kommandoebene mit den Territorialkommandos Süd, Nord und Schleswig-Holstein. Auf diese Weise hatten die verantwortlichen Politiker aller Ebenen einen militärischen Ansprechpartner auf Augenhöhe. Die genannten militärischen Dienststellen waren mit aktiven Soldaten besetzt und wurden ihm Spannungs-und Verteidigungsfall durch Reservisten verstärkt. Die Anzahl der Reservisten betrug zu dieser Zeit 1 – 1,2 Millionen.  Um eine funktionierende Landesverteidigung zu gewährleisten, gab es nicht nur die als Beispiel immer wieder genannten Sirenen, sondern flächendeckend auch Notbrunnen, vorbereitete behelfsmäßige Flussübergänge, vorbereitete Notsprengungen von Brücken, Kennzeichnung aller Brücken für die Tragfähigkeit bei Nutzung durch Panzer etc. Zivilfirmen hatten darüber hinaus genau festgelegte Aufgaben und Pflichten, wer, wann z.B. Lkws, Bagger, Schalbretter etc. zur Verfügung stellen musste. Diese Regelungen waren natürlich auch bei Naturkatastrophen ausgesprochen sinnvoll.

Neben der territorialen Wehrorganisation war es natürlich die Wehrpflicht, die die Struktur der Bundeswehr bis 2011 bestimmt hat. Durch sie war die Integration der Armee in die Gesellschaft gegeben und das Aufkommen an Reservisten gesichert. Außerdem rekrutierten Heer, Luftwaffe und Marine aus der Wehrpflicht ca. 50% ihres Nachwuchses an Zeit- und Berufssoldaten.

Strukturprobleme in der Vergangenheit, die sich bis heute auswirken

Ein großes Strukturproblem ergab sich aus dem Berlin-Bonn-Gesetz. Der Hauptsitz des Bundesministeriums der Verteidigung verblieb zwar in Bonn, aber immer mehr von den für die politische Führung der Streitkräfte besonders relevanten Komponenten verlegten nach Berlin. Man konnte sagen, dass der Kopf des Ministeriums zusehends in Berlin präsent war, während der Körper in Bonn blieb.

Eine Folge war, wie auch für einige andere Ministerien, dass ein Flug-Shuttle zwischen Bonn und Berlin eingerichtet wurde, der auch heute noch betrieben wird.

Die Führungsstäbe von Heer, Luftwaffe, Marine, der Sanität und der neu geschaffenen Streitkräftebasis als Teilstreitraft für die zentrale Unterstützung der anderen Teilstreitkräfte (TSK) wurden aus dem Bundesministerium der Verteidigung herausgelöst. Während bis dahin alle TSK und auch der Führungsstab der Streitkräfte auf dem Hardt Berg bei Bonn stationiert waren und dadurch eine Zusammenarbeit der kurzen Wege möglich war, wurde der Führungsstab der Luftwaffe, jetzt bezeichnet als Kommando Luftwaffe, nach Berlin Gatow verlegt, das Kommando Heer nach Strausberg bei Berlin und das Kommando Marine nach Rostock. Der Führungsstab Streitkräfte verlegte zu großen Teilen nach Berlin, die Streitkräftebasis und die Sanität blieben in Bonn. Die sich daraus ergebenden Folgen für die Effektivität muss man nicht beschreiben.

Die Heeresflugabwehrtruppe wurde abgeschafft. In der Flugabwehrraketentruppe der Luftwaffe wurden die Waffensysteme „Nike“ und „Hawk“, die in einem Nord-Süd Gürtel für die Bekämpfung von Flugzielen in großen und mittleren Höhen zuständig waren, durch das Waffensystem „Patriot“ ersetzt, allerdings in wesentlich geringerer Anzahl.

Bislang erfolgte oder geplante neue Strukturen

Die Einrichtung der neuen Teilstreitkraft „Cyber und Informationsraum“ (CIR) trägt der Entwicklung von militärischen Risiken und aktuellen Kriegsbildern Rechnung. Das Sanitätswesen und die Streitkräftebasis in einem Unterstützungskommando zusammenzufassen, ist nicht unproblematisch. Zum einen verliert die Sanität ihren gleichberechtigten Status als autonome Teilstreitkraft, und zum anderen unterliegen alle Sanitätssoldaten als Angehörige eines militärischen Fachdienstes ganz besonderen fachlich bedingten Befehlsstrukturen, die sich von denen der Streitkräftebasis unterscheiden.  Die Einrichtung eines „Operativen Führungskommandos“ aus dem ehemaligen Einsatzführungskommando und dem Territorialkommando entspricht dem Grundsatz „Führen aus einer Hand.“ Die Frage ist allerdings, ob die Leitungsspanne nicht zu groß ist.

Den Planungsstab neu zu gliedern und als Planungs-und Führungsstab zu bezeichnen, unterstreicht diesen Grundsatz.

Die Umgliederung der zivilen Einrichtungen des BMVg kann nicht abschließend beurteilt werden. Es ist allerdings zu hoffen, dass der alte „Soldatenspruch“ seine Gültigkeit verlieren wird, der da lautet: „Die Truppe ist der militärische Teil der Bundeswehrverwaltung.“

Wesentliche strukturelle Maßnahmen, die (noch?) nicht getroffen/entschieden wurden

Wenn es um neue Strukturen geht, sollte man sich nicht nur anschauen, welche Änderungen es gegeben hat oder noch vorgesehen sind, sondern auch, auf welche – aus was für Gründen auch immer- verzichtet wurde.

Als erstes ist die Zusammenlegung des BMVG im Standort Berlin zu nennen. Den militärischen in Bonn verbliebenen Torso weiterhin und offiziell als 1. Dienstsitz des BMVG zu betreiben, ist realitätsfremd und hat weiterhin erhebliche Reibungsverluste zur Folge. Die im „Berlin-Bonn-Gesetz“ festgelegten Regelungen hinsichtlich der Dienstsitze der Bundesministerien, sind nicht mehr zu begründen, weil die für Bonn mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin verbundenen Nachteile durch die Etablierung vieler nationaler und internationaler Dienststellen, Organisationen und Einrichtungen mehr als kompensiert wurden. Für das Außenministerium und das Verteidigungsministerium war die Aufteilung zwischen Bonn und Berlin von Beginn an falsch, weil die politische Führung auf eine enge Zuarbeit dieser Ministerien besonders angewiesen ist.

Die zweite Maßnahme, die bislang nicht rückgängig gemacht wurde und offensichtlich auch nicht in Planung ist, ist die mit dem Dresdner Erlass verfügte Herauslösung der Inspekteure der Streitkräfte aus dem BMVG. Diese Entscheidung resultierte seinerzeit ausschließlich aus der Forderung, das BMVG zahlenmäßig zu verkleinern. Eine Einsparung von Dienstposten war damit nicht verbunden, stattdessen wurden die aus den drei neuen Standorten Gatow, Strausberg und Rostock entstandenen erheblichen Reibungsverluste in der Zusammenarbeit der Kommandos in Kauf genommen. Jede TSK übergreifende Mitzeichnung, die man bis 2012 auf dem Hardt Berg praktisch auf dem Fußweg erledigen konnte, muss heute zwischen drei Standorten erfolgen. Zwischen Gatow und Rostock liegen z. B. ca. 250 km. 

Als Drittes ist festzustellen, dass man mit Einnahme neuer Strukturen wieder nicht den Mut gehabt hat, ein Generalstab einzurichten, dessen Schaffung bei der Aufstellung der Bundeswehr verboten war. Ein solches zentrales Führungsorgan ist unerlässlich und würde Hilfskonstruktionen wie „Planungs-und Führungsstab“ oder auch ein „Operatives Führungskommando“ überflüssig machen. Außerdem wäre ein Generalstab der Bundeswehr ein klarer internationaler Ansprechpartner für vergleichbare Organisationselemente in anderen Streitkräften.

Der vierte wesentliche Punkt, über den nicht entschieden wurde, ist die vollständige Verlegung der „Flugbereitschaft“ von Köln Wahn nach Berlin. Da diese Flugbereitschaft in der Hauptsache von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten des Deutschen Bundestags genutzt wird, deren Dienst – und häufig auch Wohnort Berlin ist, kommt es immer noch zu Hunderten von Leerflügen entweder von Köln nach Berlin oder in umgekehrter Richtung. Das ist ein Musterbeispiel für die Verschwendung von personellen und materiellen Ressourcen in erheblicher finanzieller Dimension.

Zusammenfassende Bewertung

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Entscheidung richtig ist, mit der Landesverteidigung, den im Grundgesetz verankerten Auftrag der Bundeswehr, in den Mittelpunkt aller strukturellen und organisatorischen Überlegungen zu stellen. Wie aus der Darstellung der Vergangenheit ersichtlich, spiegeln viele Maßnahmen eine Rückbesinnung auf Strukturen wider, die sich über Jahrzehnte bewährt hatten. Das soll die aktuell getroffenen Entscheidungen nicht abwerten, ganz im Gegenteil, getreu dem Motto, dass man ein Rad nicht neu erfinden soll, wenn es schon einmal erfolgreich gerollt ist.

Das gilt besonders für den nationalen Aufgabenbereich der Bundeswehr, nämlich die Landesverteidigung. Dabei steht die Armee allerdings erst am Anfang und vor einer flächendeckenden Struktur, wie sie einmal bestanden hat, kann noch lange nicht die Rede sein. Ein paar Heimatschutzregimenter und ein gemeinsames Operatives Kommando können nur der Anfang eines Prozesses sein, der vor allem wegen der fehlenden Reservisten noch mindestens 10 Jahre dauern wird. Bei allen strukturellen Maßnahmen sollte man zwar das „Ukraine-Kriegsbild“ im Auge haben, es aber nicht zum alleinigen Maßstab für die Reorganisation der Bundeswehr machen. Der Fehler, den man mit der Schaffung einer „Armee im Einsatz“, orientiert an den Kriegen auf dem Balkan und in Afghanistan und Auslandseinsätzen wie in Mali oder Niger, gemacht hat, darf sich nicht wiederholen. Jede militärische Auseinandersetzung ist anders und erfordert große Flexibilität, um sie erfolgreich zu bestehen. Die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen, damit sie einem Krieg gewachsen ist, wird noch viele Milliarden kosten und neue Waffensysteme im großen Umfang erforderlich machen. Dabei muss man aktuell entscheiden, ob die Bundeswehr oder die Unterstützung der Ukraine Priorität hat, weil man jeden Euro nur einmal ausgeben kann.

Last, but not least sind gewaltige Anstrengungen erforderlich, genügend junge Menschen zu finden, die sich dafür entscheiden, sich als Zeit-oder Berufssoldaten in den Dienst unseres Landes zu stellen. Auf die zusätzliche Reaktivierung der Wehrpflicht oder die Schaffung einer, wie auch immer ausgestalteten, Dienstpflicht wird man nicht verzichten können.

Ein realistischer Zeitansatz, bis wann die Bundeswehr eine belastbare Verteidigungsfähigkeit und vor allem auch eine Durchhaltefähigkeit mit einem angemessenen personellen Umfang erreicht haben wird, liegt bei mindestens 10 Jahren.

Greven, 05. Mai 2024

Jürgen Hübschen

Über Jürgen Hübschen

Jahrgang 1945, Oberst a.D. der Luftwaffe
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