US-Truppen im Irak und in Syrien und russische Truppen in der Ukraine-

ein durchaus berechtigter, aber ziemlich unpopulärer Vergleich

Im Irak sind derzeit noch an mehreren Standorten rund 2.500 US-Soldaten stationiert, in Syrien an ebenfalls mehreren Standorten 900-1.000. Im nachfolgenden Bericht wird der historische Hintergrund für die Stationierung dieser Soldaten kurz dargestellt, und es werden die rechtlichen Grundlagen dafür beleuchtet. In der abschließenden Zusammenfassung wird bewertet, ob es hinsichtlich der Legitimation für die Anwesenheit amerikanischer Soldaten im Irak und in Syrien und der russischen Streitkräfte in der Ukraine grundsätzliche Unterschiede gibt und ob bei der Bewertung mit zweierlei Maß gemessen wird.

Amerikanische Soldaten im Irak

Am 20. März 2003 marschierten US-Streitkräfte und ihre „Koalition der Willigen“ völkerrechtswidrig in den Irak ein, um den irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein und sein Regime zu stürzen. Begründet wurde die Operation „Iraqi Freedom“ mit den Behauptungen, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, arbeite an einem Programm für weitreichende Raketen und unterstütze den internationalen Terrorismus. Alle drei Behauptungen erwiesen sich als falsch. Die irakischen Streitkräfte wurden innerhalb kürzester Zeit überrannt, Bagdad bereits am 9. April erobert und der irakische Staatspräsident gestürzt. Allerdings fand man den irakischen Herrscher erst im Dezember 2003 in der Nähe seiner Heimatstadt Tikrit. Er wurde der irakischen Justiz übergeben und am 5. November 2006 hingerichtet. Heute, im Jahr 2024, befinden sich, wie bereits kurz ausgeführt, immer noch amerikanische Truppen im Irak, obwohl die Kampftruppen offiziell 2011 aus dem Land abgezogen wurden. Die weiterhin bestehende Anwesenheit von US-Kontingenten wurde zwischenzeitlich mit dem seitens der irakischen Regierung genehmigten Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) begründet.

Nach der vom damaligen US-Präsidenten Trump angeordneten Liquidierung des iranischen Generals Suleimani im Januar 2020 durch eine amerikanische Drohne in der Nähe des Flughafens von Bagdad forderte das irakische Parlament den sofortigen Abzug aller damals noch ca. 5.000 US-Truppen aus dem Land. Gleichzeitig wurde in einer Resolution die Beendigung des Abkommens mit den USA gefordert, in dem 2014 die Entsendung von US-Soldaten zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vereinbart worden war. Die Forderung des irakischen Parlaments wurde seitens der US-Regierung ignoriert, so dass der irakische Regierungschef Mohammed Schia al-Sudani Anfang Januar 2024 unmissverständlich forderte, den Einsatz der internationalen Militärkoalition in seinem Land zu beenden. Die Rechtfertigung für die Existenz der Koalition sei erloschen, hieß es in einer von Sudanis Büro veröffentlichten Erklärung. Aktuell sind immer noch ca. 2.500 US-Soldaten auf verschiedenen amerikanischen Stützpunkten im Irak stationiert. Zurzeit wird zwischen Washington und Bagdad über die Modalitäten des Abzuges verhandelt. Auf Grund des Nahostkrieges gibt es seit Oktober 2023 immer wieder Angriffe von Milizen auf die amerikanischen Stützpunkte und US-Luftangriffe gegen Einrichtungen dieser mit dem Iran verbündeten Milizen.

Amerikanische Soldaten in Syrien

Die USA operieren ohne ein UN-Mandat seit September 2014 militärisch im Syrienkonflikt, als die amerikanische Luftwaffe im Rahmen der primär von Washington ins Leben gerufenen „Internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat“ Luftangriffe auf Stellungen der islamistischen Terrororganisation in Nordsyrien aufnahm. Im Oktober 2015 ließ der damalige US-Präsident Barack Obama Spezialkräfte in die von der Kurdenmiliz „YPG“ kontrollierten Gebiete in Nordostsyrien entsenden und damit erstmalig und völkerrechtswidrig US Bodentruppen in Syrien stationieren Diese Special Forces hatten die Aufgabe, lokale kurdische und arabische Kräfte auszubilden und sie in beratender Funktion im Bodenkampf gegen den IS zu unterstützen. Danach wurde die amerikanische Truppenpräsenz in Syrien kontinuierlich weiter ausgebaut.

Nach der Eroberung der syrischen Stadt Rakka im Herbst 2017 entschied die amerikanische Regierung, die Präsenz von Bodentruppen auf unbestimmte Zeit aufrechtzuerhalten. Neben dem damit verbundenen Druck auf die Regierung des syrischen Präsidenten Aassad wollte man damit auch auf die iranischen Pläne im Nahen Osten reagieren. Die US Regierung ließ- aus unterschiedlichen Gründen, aber immer ohne UN-Mandat-  immer wieder militärische Einrichtungen der syrischen Streitkräfte angreifen. So beschossen z.B. die Zerstörer „U.S.S. Ross“ und „U.S.S. Porter“ am 07. April 2017 den syrischen Luftwaffenstützpunkt „Al-Schairat“ in der Nähe von Homs mit insgesamt 59 Tomahawk Marschflugköpern.Bei einem Luftangriff bombardierten die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs am 14. April 2018 syrische Einrichtungen bei Damaskus und Homs als Antwort auf einen mutmaßlichen Chemiewaffen-Angriff des syrischen Regimes auf ein Ziel in Duma. Dieser angebliche syrische Angriff konnte nie bewiesen werden.

Im Frühjahr 2018 hatte der damalige US-Präsident Trump den Abzug der amerikanischen Truppen aus Syrien und eine deutliche Reduzierung der zivilen Unterstützung für die kurdischen und arabischen Verbündeten vor Ort angekündigt. Im September 2018 rückte der US-Präsident hingegen von der Überlegung eines schnellen Abzugs ab und kehrte zu der Ende 2017 beschlossenen Strategie zurück, ein zeitlich unbegrenztes Engagement in Syrien zur nachhaltigen Bekämpfung des IS und Eindämmung des iranischen Einflusses zu verfolgen. Die Ernennung von James F. Jeffrey zum Sondergesandten des amerikanischen Außenministeriums für Syrien im Sommer 2018 wurde von Experten als Zeichen für eine anhaltende Präsenz der USA in Syrien interpretiert.

Im Dezember 2018 kündigte Präsident Trump plötzlich den sofortigen Abzug der US-Truppen aus Syrien an.  Daraufhin reichte der damalige US-Verteidigungsminister James Mattis aus Protest seinen Rücktritt ein. Die Anweisung von Donald Trump wurde letztlich nicht umgesetzt, so dass auch heute noch knapp 1.000 US-Soldaten ohne jede rechtliche Grundlage in Syrien stationiert sind.

Die vermutlich 24 US-Stützpunkte und andere militärische Einrichtungen in Syrien verteilen sich auf drei Provinzen, wobei sich die meisten im Osten und Nordosten des Landes befinden. Der größte amerikanische Militärstützpunkt befindet sich in Syriens östlichem Al-Omar-Ölfeld.

Was einen geplanten Sturz des syrischen Präsidenten Assad, verbunden mit einem Regime Change anging, wechselte die offizielle amerikanische Strategie mehrfach. Im Frühjahr 2013 genehmigte Präsident Obama Waffenlieferungen an syrische Rebellen, um diese beim Kampf gegen die Regierungstruppen zu unterstützen mit dem Ziel, einen Regime Change in Syrien herbeizuführen. Diese geheime Operation erhielt den Namen „Timber Sycamore“. Die CIA übernahm die Durchführung und Saudi-Arabien maßgeblich die Finanzierung. Auch Katar, Jordanien und die Türkei unterstützten die Operation finanziell.

Anfang Juli 2017 hatte der damalige US-Präsident Trump das Programm auf Empfehlung der CIA angeblich beendet

Offiziell hat die US-Regierung die CIA Aktivitäten in Syrien bis heute nicht zugegeben oder kommentiert.

Russische Truppen in der Ukraine

Am, 24. Februar 2022 marschierten russische Streitkräfte völkerrechtswidrig in die Ukraine ein. „Der Westen“ hat diesen Völkerrechtsbruch verurteilt, der Ukraine jegliche Unterstützung zugesichert und Russland mit umfangreichen Sanktionen belegt. Auf Grund der starken Gegenwehr der ukrainischen Truppen, die vom „Westen“ bis heute massiv militärisch unterstützt werden, ist die ukrainische Regierung weiterhin im Amt, und der Krieg dauert an.

Der ukrainische Staatspräsident Selensky hat angeordnet, nicht eher mit Moskau zu verhandeln bis alle russischen Truppen das ukrainische Territorium, also einschließlich der Krim, verlassen haben. Diese Forderung wird vom „Westen“ grundsätzlich mitgetragen.

In der letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO vom 24. -27. Mai 2024 in Sofia wurde in einer offiziellen Verlautbarung erklärt, „der Ukraine bis zum Sieg beizustehen.“

Zusammenfassende Bewertung

Um jedes Missverständnis auszuschließen, stelle ich fest, dass der völkerrechtswidrige Einmarsch der russischen Streitkräfte nicht dadurch gerechtfertigt und auch nicht relativiert wird, weil auch die USA und einige ihrer Verbündeten das Völkerrecht durch ihre Militäroperationen und die Stationierung eigener Truppen im Irak und in Syrien ebenfalls verletzen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass „der Westen“ vergleichbare Völkerrechtsbrüche völlig unterschiedlich bewertet und auch total unterschiedlich darauf reagiert. Jetzt könnte man als Begründung dafür anführen, dass sich in der Ukraine viel mehr Russen befinden, aber das war beim Einmarsch der US Truppen in den Irak und danach bis etwa 2011 genauso. Auch der Hinweis, dass russische Soldaten in der Ukraine beschuldigt werden, Kriegsverbrechen zu begehen, markiert keinen Unterschied zu den US-Truppen im Irak. Dort wurden in Abu Ghraib nachweislich irakische Soldaten von US-Truppen gefoltert, so wie es z.B. auch im amerikanischen Stützpunkt Baghran in Afghanistan und auch im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba der Fall war, nicht zu vergessen die CIA Gefängnisse in Polen. Nein, mit diesen fadenscheinigen Argumenten kann man die unterschiedliche Bewertung von Völkerrechtsbrüchen und Kriegsverbrechen nicht begründen. Das Problem liegt wesentlich tiefer, nämlich daran, dass „der Westen“ eine geradezu pharisäerhafte Einteilung in Gut und Böse vornimmt nach dem Motto „Wir sind die Guten und die Anderen sind die Bösen.“ Die dabei praktizierte Doppelmoral hat die Glaubwürdigkeit „des Westens“ nachhaltig beschädigt.

Dabei müsste man in der westlichen Staatengemeinschaft eigentlich zu der Erkenntnis kommen, dass Völkerrechtsbrüche und Kriegsverbrechen, die von demokratischen Rechtsstaaten und deren Soldaten begangen werden, noch schwerer wiegen als wenn sich das in Diktaturen ereignet.

Aber so weit möchte ich persönlich gar nicht gehen, sondern ich fordere ganz einfach, dass vergleichbare Verbrechen auch gleich bewertet und behandelt werden und zwar von Politikern, in den Medien und auch in der Bevölkerung. Stattdessen muss man zur Kenntnis nehmen, dass der Internationale Strafgerichtshof an den Pranger gestellt wird, weil der Chefankläger Karim Khan Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie die Hamas-Führer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh beantragt hat.

Die Aussage der internationalen Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard: „Niemand steht über dem Völkerrecht: keine Anführer bewaffneter Gruppen, keine Regierungsangehörigen, seien sie gewählt oder nicht, keine Militärangehörigen. Niemand steht über dem Gesetz, ganz gleich, was die Beweggründe für ihr Handeln auch sein mögen“ muss auch zum weltweiten Maßstab des Handelns werden.

Auf dieser Basis sollte endlich eine diplomatische Initiative gestartet werden, um den Ukrainekrieg zu beenden. Verhandlungen könnten und sollten umgehend beginnen, auch wenn es noch nicht gelingt, einen Waffenstillstand zu erreichen. Bevor 1648 der Westfälische Frieden geschlossen wurde, hatten die Kriegsparteien 5 Jahre lang verhandelt, während die Kämpfe noch andauerten. Eine „Friedenskonferenz“ wie sie am 15. Und 16. Juni 2024 in der Schweiz stattfinden soll, zu der aber eine Kriegspartei gar nicht eingeladen wurde, ist dazu keine Alternative.

Greven, 07. Juni 2024

Jürgen Hübschen

Über Jürgen Hübschen

Jahrgang 1945, Oberst a.D. der Luftwaffe
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